“Aufzeichnung geschichtlicher Ereignisse nach ihrer Zeitfolge”, so definiert der Duden das aus dem Griechischen kommende Wort. Es wäre sicherlich vermessen, die Geschichte des Landesverbandes Rheinischer Kaninchenzüchter e.V. oder auch der Kaninchenzucht insgesamt mit großen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Ereignissen zu vergleichen. ” Dennoch ist es wichtig, dass in einer Zeit, in der das Leben anscheinend immer mehr durch die Technik bestimmt wird, sich Menschen für den Erhalt der Vielfalt der Tierzucht einsetzen” (Zitat von Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D., in seinem Grußwort anlässlich der vom Landesverband Rheinischer Kaninchenzüchter ausgerichteten 24. Bundeskaninchenschau im Dezember 1999 in Essen).
Während heute in unseren Regionen die Rassekaninchenzucht überwiegend nach “Schönheitsidealen” ausgerichtet ist, hat uns die Geschichte gelehrt, dass in “schlechten Zeiten” oft andere Kriterien, wie Aufzuchtleistung und Frohwüchsigkeit als Grundlage der Fleischbeschaffung vorrangige Bedeutung hat. Und damit ist auch der Bogen gespannt für die “züchterische Bearbeitung” des Kaninchens im Rheinland unmittelbar nach dem Deutsch/Französischen Krieg 1870/71. Dort lernten nämlich die deutschen Soldaten die Zucht des Kaninchens kennen und gründeten anschließend auch in Deutschland die ersten Vereine. Als Dachverband und Vorläufer unseres heutigen Landesverbandes entstand 1895 der “Bund Westdeutscher Kaninchenzüchter”. Die Anfangsgeschichte der Kaninchenzucht war gekennzeichnet durch erhebliche Differenzen hinsichtlich der Zuchtziele und Organisationsformen, so dass es im Jahre 1909 einer Anordnung des preußischen Landwirtschaftsministeriums in Berlin bedurfte, dass für jede Provinz ein Landesverband unter Führung der jeweiligen Landschaftskammer zu gründen sei. Von daher ist der bis in jüngster Vergangenheit währende Sitz der Geschäftsstelle bei der Kammer geschichtlich begründet.
Im August 1909 kam es in Mönchengladbach zur Einigung aller Verbände, der Provinzialverband Rheinischer Kaninchenzüchter wurde gegründet und firmierte erstmalig im Jahre 1910.
Nachstehende Vorsitzende prägten dann ein Jahrhundert die Geschicke des Landesverbandes:
1910 – 1912 | Hugo Wolters |
1912 – 1914 | Karl Königs |
1914 – 1915 | Heinrich Kemp |
1915 – 1918 | Hans Loosen |
1918 – 1919 | H. Bischoff |
1919 – 1922 | Ernst Seeger |
1923 – 1933 | Friedrich Bornefeld |
1933 – 1938 | Ulrich Rehorst |
1938 – 1950 | Heinrich Schäfer |
1951 – 1954 | Wilhelm Christ |
1954 – 1961 | Friedrich Osthus |
1962 – 1977 | Hermann Göbels |
1977 – 1997 | Franz Jakobs |
1997 – heute | Hubert Bürling |
Die damals junge Organisation wurde insbesondere unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg vor schwere Aufgaben gestellt. Infolge der schlechten wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung stiegen die Mitgliederzahlen . Abwerbungsversuche anderer Kaninchenzüchtervereinigungen hielten jedoch an, bis 1933 im 3. Reich die Vielzahl der bestehenden Gruppen, Verbände und Clubs untersagt wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg fand 1948 eine Reorganisation des Landesverbandes, jedoch unter Abtrennung der Regierungsbezirke Trier und Koblenz statt. Zu erwähnen ist, dass im Jahre 1948 immerhin schon 345 Kaninchenausstellungen abgehalten wurden. Das Herdbuch formierte sich bereits im Jahre 1946 neu und die Clubs zählten 1953 bereits 369 Mitglieder. Die erste Landesverbandsschau nach dem 2. Weltkrieg fand im Jahre 1952 statt. . In den Nachkriegsjahren nahm die Mitgliederzahl rasant ab. Sie stabilisierte sich erst in den Jahren 1955 – 1958. Bezeichnenderweise tauchte in jenen Jahren auch erstmals das Motto “Freizeitgestaltung durch Kaninchenhaltung” auf. Das 50-jährige Bestehen des Landesverbandes wurde bereits am 30./31.05.1959 in Beuel gefeiert.
Die 60er Jahre begannen mit dem verstärkten Ausbruch der Myxomatose, die über Frankreich in die Bundesrepublik gelangt war und stellte die Veterinärbehörden vor Problemen, die jahrzehntelang anhalten sollten. Trotzdem stellte sich eine leicht steigende Mitgliedertendenz ein. 1961 durfte Hermann Göbels als neuer LV-Vorsitzender sogleich seine organisatorischen Fähigkeiten bei der Durchführung der ZDK-Tagung in Köln unter Beweis stellen. 1962 fand die erste Landesleistungsschau des Herdbuches und der Leistungs-Angorazüchter in Euskirchen statt. 1963 wurde der Jugendabteilung der Status einer selbständigen Sparte innerhalb des Landesverbandes zuerkannt. Erstmals fand im Rheinland 1968 eine Bundeskaninchenschau statt und 1971 folgte die ZDK-Tagung in Mönchengladbach. Schon ein Jahr später war der Landesverband Ausrichter der 10. Bundesschau. Zu erwähnen ist, dass in jenen Jahren mit Wilhelm Berkenkamp, Adolf Rudolph, Gustl Schrimpf und Hermann Göbels dem Präsidium des ZDK vier Vertreter des Landesverbands Rheinland angehörten.
Infolge der Kommunalen Neugliederung im Jahre 1972 sank die Anzahl der Kreisverbände von 37 auf 31. Nicht zuletzt um der sinkenden Mitgliederzahl entgegenzuwirken, folgte der Landesverband einem Beschluss des Zentralverbandes, sich stärker den Belangen der Öffentlichkeitsarbeit zu widmen. Zum wiederholten Male war Essen im Jahre 1976 Austragungsort einer Bundeskaninchenschau.
Franz Jakobs übernahm 1977 die Geschicke des Landesverbandes. Eine Rekordbeschickung ergab die 29. Landesschau im Jahre 1979 in Wesel. 5775 Tiere und 98 Produkte wurden dort vorgestellt. Im gleichen Jahr beteiligte sich der Landesverband an der Bundesgartenschau in Bonn. Während der Gesamtdauer der Veranstaltung fand eine Präsentation des Landesverbandes und der Rassekaninchenzucht statt. U. a. kam es hier zu einem Informationsaustausch zwischen dem Bundeslandwirtschaftsminister Ertel und dem ZDK-Präsidenten Kölz. 1980 erhielt Landesverbandsehrenmitglied und Ehrenmeister des ZDK, Walter Furlang, für seinen hervorragenden Einsatz für die Kaninchenzucht das Bundesverdienstkreuz am Bande. Die Landesschau im Jahre 1982 wurde kombiniert mit der 9. Bundes-Rammlerschau. Im gleichen Jahr übertrug der Europäische Verband für Geflügel- und Kaninchenzucht dem LV die Durchführung der Europatagung in Königswinter. Mit Fördermitteln des Landwirtschaftsministeriums konnte 1983 die erste Gemeinschaftszuchtanlage für Kaninchen in Frechen fertiggestellt werden. Ein neues Problem tat sich jedoch insofern auf, als es immer schwieriger wurde, repräsentative Hallen für Großschauen zu finden. Höhepunkt im Jahre 1985 war das 75-jährige Jubiläum des Landesverbandes. Der Festabend fand in der Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengladbach, dem “Geburtsort” unseres Landesverbandes, statt. 1986 wurden über die Landwirtschaftskammer bzw. über die Geschäftsstelle Kontakte zur Volksrepublik China geknüpft. Zu einem Glanzpunkt der Öffentlichkeitsarbeit kam es auf dem sog. NRW-Tagen in Bonn und Düsseldorf, als prominente Zeitgenossen, wie Bundespräsident Richard von Weizäcker, Bundeskanzler Kohl, Vizekanzler Genscher und Ministerpräsident Rau den Präsentationsstand des LV besuchten. 1988 wurde LV-Vorsitzender Franz Jakobs zum ZDK-Präsidenten gewählt. Erstmals seit Beginn der organisierten Kaninchenzucht stand damit ein rheinischer Züchter an der Spitze des Verbandes.
Sinkende Preise für Angorawolle führten in den folgenden Jahren zu einem erheblichen Rückgang der Angora-Leistungszüchter. Übrig blieben Idealisten, die sich weiterhin mit der Verbesserung der von ihnen gewählten Rasse beschäftigten. Im Mittelpunkt von Schulungen stand die “RHD”, die sich Ende der 80er Jahre stark ausbreitete. In der Geschäftsstelle hielt der PC Einzug und eröffnete neue Varianten im Leistungsangebot des Landesverbandes.
Zusammen mit dem befreundeten Landesverband der rheinischen Rassegeflügelzüchter hatte unser Verband in den 90er Jahren die Möglichkeit , sich auf der Verbrauchermesse “aktiv leben” in Düsseldorf darzustellen und über die Vielfalt der Kaninchenzucht jährlich etwa 100.000 Besuchern Einblicke zu verschaffen. Die Aktivitäten konnten leider jedoch die seit Beginn der 90er Jahre ständig sinkenden Mitgliederzahlen nicht aufhalten. Im Dezember 1993 war der Landesverband Ausrichter der 21. Bundeskaninchenschau mit einem Meldeergebnis von 23 000 Kaninchen und über 400 Erzeugnissen. 1993 konnte der soeben neu gewählte LV-Jugendleiter Manfred Kaulich von der größten Jugendschau berichten, die jemals in unserem Landesverband stattgefunden hat. Auch in den Folgejahren verstand es Manfred Kaulich u. a. durch die Organisation von Zeltlagern neue Akzente in der Jugendarbeit zu setzen. 1995 erlangte der Landesverband die Gemeinnützigkeit. In seinem letzten Geschäftsbericht konnte Theo Jakobs als Landesclubobmann entgegen der Landesentwicklung mit Stolz darauf hinweisen, dass er im Jahre 1977 in seiner Sparte mit 378 Mitgliedern angefangen hatte und nunmehr über 500 Züchter die Clubarbeit unterstützen. Im Geschäftsjahr 1996 richtete die Jugendabteilung des Landesverbandes das 4. Bundesjugendtreffen in Euskirchen aus. Es entstand eine Zeltstadt, die für 800 Teilnehmer ein imposantes Bild bot.
Auf der Jahreshauptversammlung am 4. Mai 1997 in Duisburg-Hamborn beendete Franz Jakobs seine Amtszeit als 1. Vorsitzender nach 25-jähriger Zugehörigkeit zum Landesverbandsvorstand und wurde einstimmig zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Im September 1997 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Ihr 50-jähriges Jubiläum feierte die Rheinische Angora-Leistungsabteilung im Rahmen der Landesleistungsschau in Gemeinschaft mit den Herdbuchzüchtern. Höhepunkt der 45. Landesverbandsschau war die “1. Elite-Versteigerung” von Spitzentieren namhafter rheinischer Rassekaninchenzüchter, deren Erlös Bedürftigen zugeführt wurde. Aus Anlass des 100jährigen Bestehens der Landwirtschaftskammer Rheinland im Jahre 1999 fand in der Bonner Beethovenhalle ein Festakt und ein Tag der offenen Tür auf dem Gelände der Landwirtschaftskammer statt, an dem sich der Landesverband entsprechend beteiligte. 1999 war der Verband wiederum Ausrichter einer Bundesschau. Ein überwältigender Erfolg stellte sich durch die Versteigerung von Kaninchen aus Spitzenzuchten aus ganz Deutschland ein. Der Erlös wurde einer Stiftung übergeben. Im Jahre 2000 kam es zur Abkopplung der Geschäftsstelle des Landesverbandes von der Landwirtschaftskammer. Die Geschäftsstelle befindet sich nunmehr am Wohnsitz des Landesverbandsvorsitzenden. Die Jahreshauptversammlung gab jungen Zuchtfreunden das Vertrauen, künftig die Belange des Landesverbandes sowohl nach innen als auch nach außen hin zu vertreten.
In Zukunft dürfte das größte Problem die Kompensation der starken Mitgliederverluste sein. Auswertungen der Altersstruktur haben ergeben, dass das Durchschnittsalter der rd. 3 700 Vereinsmitglieder 60 Jahre beträgt. Auch die Vereinsstruktur ist höchst unterschiedlich. Es muss heute ernsthaft darüber nachgedacht werden, sich mit mehreren Vereinen zur Aktivierung des Vereinslebens zusammen zu tun oder gar zu fusionieren. Im Übrigen gelten diese Überlegungen auch für mitgliedsschwache Kreisverbände. Nur Aktivitäten, zu denen kleine Strukturen kaum in der Lage sind, bewegen etwas in unserer Organisation. Dem Grunde nach sind diese Möglichkeiten vorhanden, müssen jedoch in die Tat umgesetzt werden. Kirchturmsdenken ist hier fehl am Platze! Weitsicht sichert die Zukunft!